Schreiben

Die klassische Postkarte vs. billiges Roaming

Von Gwen am 11. June 2015

Meine nähere Verwandtschaft und mein engerer und weiterer Freundeskreis ist insgesamt recht reiselustig. Schlage ich Treffen oder gemeinsame Aktivitäten vor, höre ich nicht selten: „Da sind wir grade in …“ oder „An dem Tag komm ich aus … wieder“. Für mich kein Problem. Das Treffen lässt sich verschieben und ich freue mich auf Postkarten mit schönen oder auch absichtlich besonders scheußlichen Bildern und interessanten News aus fernen Ländern.

Denn das klassische Postkarten schreiben erlebt eine Renaissance und bei wem das noch nicht angekommen ist, bei dem wird sie schlichtweg bestellt. „Viel Spaß im Urlaub und schreib uns ne Postkarte!“ Wenn dann die schönen Karten im Briefkasten und nach ausführlichem Betrachten am Kühlschrank landen, wundere ich mich, warum es eigentlich zwischenzeitlich mal vollkommen out war, Postkarten aus dem Urlaub zu versenden. Muss daran liegen, dass telefonieren aus dem Ausland stetig billiger geworden ist! Aber mal ehrlich: worüber freut man sich mehr? Über das schöne Bild vom weißen Strand mit den liebevollen und persönlichen Grüßen auf der Rückseite oder den Anruf mit leicht schlechtem Empfang, „dass es grade vor dem Kolosseum totaaal voll, aber das Wetter schön ist“ und das, wenn man selbst womöglich in der U-Bahn steht.

Postkarten

© by Sascha Kohlmann. Top Image © by Kate Hiscock

Keine Frage und der Grund liegt auf der Hand: am Telefon geben wir relativ ungefilterte Momentaufnahmen weiter und wissen oft nicht, wo das Gegenüber sich gerade befindet und ob es Zeit und Muße hat, sich auf ein Gespräch einzulassen. Die Postkarte hingegen hat begrenzten Raum, wird meist in Ruhe geschrieben und eben auch in Ruhe gelesen. Das Wesentliche des Aufenthalts fernab von zu Hause wird deutlich und der Empfänger hat eine Chance, dieses auch zu erfassen.

Postkarten
Postkarten
Der Herbst - hat auch Geschenke

Ein weiteres großes Plus für die Postkarte: wir können im Urlaub einmal ausprobieren wie es sich anfühlt, wenn einem das Handy einmal nicht permanent am Ohr klebt. Ist vielleicht zunächst befremdlich, nach einer Weile aber tatsächlich ungemein befreiend. Und reist man zu Zweit, begeht man die Erlebnisse auch wirklich zu Zweit und nicht zu Zweit und mit allen, mit denen man via Facebook, What´s App und Telefon permanent verbunden ist. Vorausgesetzt man lässt das Handy einfach mal im Hotel.

Anhängern des regelmäßigen Postens aus dem Urlaub auf Facebook und anderen Plattformen sei gesagt: es ist weder schön täglich mehrere dutzend Strandfotos zu erhalten, wenn es zu Hause eher regnerisch zugeht, noch möchte die Umwelt wissen, was der Reisende täglich zu sich nimmt. Handyfotos von Essen, ganz egal wie gut das Handy und interessant die Speise ist, sind leider auch nur selten schön!

Natürlich ist es praktisch und schön, dass man im Urlaub mittlerweile auf die kurzfristige Verabredung per Handy nicht verzichten muss und sich persönlich nach dem Befinden der daheimgebliebenen Haustiere erkundigen kann. Aber die Postkarten an meinem Kühlschrank möchte ich nicht missen. Fällt mein Blick auf die bunten Bilder, denke ich an die Personen, die sie für mich ausgesucht und beschrieben haben und fühle mich mit ihnen verbunden. Ein schönes Gefühl!

Wenn eine Postkarte ein kleines persönliches Geschenk ist, ist ein Urlaubs-Facebook-Post ein billiger Werbekugelschreiber. Dass wir bei MERISIER das kleine persönliche Geschenk bevorzugen, liegt in der Natur der Sache. Dass dies so ziemlich jeder tut, in der Natur des Menschen.

Gwendoline Blumenthal